Ernst Flege

– Bilderbuch eines hamburger Malers –

Ernst Flege

Bilderbuch eines Hamburger Malers


In dieser Autobiographie umreißt Ernst Flege die Tragik seines Lebens.

Ernst August Flege wird am 17. Oktober 1898 als dritter Sohn von Friedrich Heinrich Ernst Flege (1867-1927) und seiner Ehefrau Louise Caroline Wilhelmine, geb. Becker (1870-1932) geboren, weitere vier Schwestern folgen. Sie kamen aus Detmold. Die Gärtnerei von Großvater Ernst soll während der Cholera-Epidemie in Hamburg aufgegeben worden sein. Er wurde Kaufmann und seine Frau entwarf Hüte. Louise Flege war in Hamburg Innungsmeisterin. Am 21. Januar 1903 wurde die Familie als Hamburgische Staatsangehörige aufgenommen. Sie wohnten in der Heimhuder Straße.

Kindheit


Hutgeschäft Flege in der Kaiser-Wilhelm-Straße

Ernst, Mutter Flege und Elli

Führerschein Ernst Flege 1915

„moi“ - Ernst Flege mit Kommilitonen am HfbK Lerchenfeld Sommer 1916

Krieg und Studium


Schon als 14- und 15 jähriger Schüler zeichnet er unentwegt. Er kann sich gegen die Eltern durchsetzen und wird als noch nicht siebzehnjähriger Student der 1896 gegründeten „Staatlichen Kunstgewerbeschule zu Hamburg“, jedoch am 16. November 1916 bereits zum Kriegsdienst eingezogen. (Dorothy von Hülsen aus dem Katalog der Hamburger Landesbank): „Die Personalakte im ‚Archiv der „HfbK“ verzeichnet im Sommersemester 1915 Unterricht bei Friedrich Behncke, F. Rampendahl und Dr. Reuter und im Wintersemester figürliches Zeichnen bei Julius Wohlers sowie Aktmalen bei Prof. von Beckerath. Im Sommersemester 1916 ist Wohlers sein einziger Lehrer;aus dieser Zeit datiert auch das einzige Foto von Ernst Flege als Student, das ihn mit drei weiteren Studenten und zwei Studentinnen zeigt. Außer Flege in der Mitte ist lediglich der Wohlers-Schüler Werner Bley (1897-1974), hinten links) zu identifizieren. Das folgende Wintersemester 1916/17, in dem er als Schüler von Illies verzeichnet ist, hat ein jähes Ende: Nach einem Monat, am 16. November, muß er sich abmelden und wird zum Kriegsdienst eingezogen."

Der junge Ernst Flege in Uniform

Wehrpass November 1916 – 1919

„In Lübeck erhält er eine militärische Kurzausbildung und kommt anschliessend zur Infanterie. Als Melder in Nordfrankreich kämpft er in vorderster Linie und gerät in englische Gefangenschaft. Dort kann er als Dolmetscher arbeiten; erst 1919 wird er entlassen. Eine kleinformatige Studie, um 1918 entstanden und von Flege als „Zahnpasta Studie“ bezeichnet, ist erhalten. Die Wahl des Unscheinbaren als Motiv und der sichere Umgang mit der Farbe, sollten in seinem späteren Werk typisch für ihn werden.“ (DvH)

Zahnpasta Studie

Prof. Hubert Wutke schreibt 2016 in seiner Abhandlung ‚Geschichte des Elbdorfes Rissen‘: „Die wohlhabenden Hamburger Banker und Kaufleute entdecken auch das hohe Elbhochufer hinter Blankenese und die ausgedehnten Wald- und Heidegebiete in Rissen. Sie erwarben stattliche Grundstücke ….“ – so auch die Eltern Flege 1919 am Auenweg in Rissen. Heute befindet sich dort unter anderem das Hannah Reemtsma Haus, neu erschlossene Straßen und Grundstücke. Rissen wird nach der Kriegsgefangenschaft Fleges neuer Lebensmittelpunkt.

Familienfest in Rissen, Ernst fehlt, da noch in Gefangenschaft

“Im September 1919 nimmt er seine Studien am Lerchenfeld wieder auf. Für die Schulhalbjahre 1919/1920, 1920, 1924/25 und 1926/27 finden sich Eintragungen als Schüler von Arthur Illies. Während der Sommersemester 1921 und 1926 besucht er den Abendunterricht. Wohlers und Illies haben seit 1901 bzw. 1908 viele Jahre als Lehrer an der Kunstgewerbeschule gewirkt und mehrere Generationen von Schülern maßgeblich geprägt. Von den Schrecken des Krieges hat er nie berichtet, die Geschwister beobachten allerdings nach der Rückkehr eine auf die Kriegserlebnisse zurückzuführende Wesensveränderung. Ob er das Erlebte künstlerisch umsetzen konnte, ist mit einer Ausnahme nicht bekannt. Der Katalog der „Hamburgischen Künstlerschaft“ von der Ausstellung 1920 in der Kunsthalle verzeichnet ein Gemälde mit dem Titel „Kriegsgefangene“, dessen Verbleib unbekannt ist. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine der großformatigen Darstellungen des Kriegselendes, von denen Marie Flege berichtet; es sind Darstellungen des Kriegselendes, von abgemagerten Soldaten, die nach Brot greifen. Flege empfindet diese Bilder nach dem Krieg als so unerträglich, dass er sie selber vernichtet.“ (DvH)
Die Eltern Flege schicken den Sohn Anfang der zwanziger Jahre in eine Strohhutfabrik nach Dresden, um seine Berufswahl doch noch zu beeinflussen, jedoch vergebens. Er malt und zeichnet, immer wieder seinen Vater, seine Schwester Emma, den Gemeindevorsteher Ladiges in Rissen, Landschaftsbilder vom Kloevensteen, vom elterlichen Grundstück, Fischteiche, in die er sich im Winter ein Loch in das Eis geschlagen haben soll, um zu baden. 1927/28 geht er an die Akademie nach München und wird Meisterschüler von Julius Hess.

Ernst und Emma in Rissen

Emma, die jüngste Schwester von Ernst

Vater Flege stirbt im Januar 1927 zu früh an einer Lungenentzündung. Ernst nimmt seines Vater’s Totenmaske ab und lässt sie in Bronze gießen. Sie schmückt den Grabstein der Familie Flege in Sülldorf.
Mutter Flege wird krank und stirbt 1932.
V. D. Heydorn schreibt über das kraftvolle Fortwirken des Pleinairismus in seinem Werk ‚Maler in Hamburg‘, Bd 1: … daß sich hier die Tradition des Pleinairismus bis heute neben den wechselnden modernistischen Stilformen kräftig erhalten hat.….… und als der an ursprünglicher Begabung und persönlicher Originalität gleichermaßen ausgezeichnete Ernst Flege …… zu einer ähnlichen künstlerischen Auffassung gelangte, entstand geradezu eine späte Schule der Pleinairmalerei – besser müßte es heißen: „eine Altonaer Schule“, denn alle diese Künstler lebten damals in Altona oder in den Elbgemeinden“. Und in Bd. 2: „Die Malerei des 1898 geborenen Ernst Flege hatte einen späten Höhepunkt gebracht.“
In Bd. 2 berichtet Heydorn über die Gründung der „Gruppe von 1945“ nach dem zweiten Weltkrieg und ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung in den ‚Hamburger Malerstuben‘, Alsterufer 11, vom 15.4.-31.5.1946. Flege ist im Katalog aufgeführt und könnte sich mit diesem Portrait einer Lesenden, in Bd. 2 abgebildet, beteiligt haben.
Nach ueber 70 jahren ist jetzt auf einer Auktion im Auktionshaus Stahl dieses Bild wieder aufgetaucht und selbst die Rechnung der Malerstuben ist noch erhalten !
Das "Bachknie" befindet sich heute in der Sammlung Gerhard Schneider, ist im Kunstverein Südsauerland in Olpe und im Museum Baden in Solingen 1999 und 2000 gezeigt worden und in der für diese Ausstellungen erschienenen Publikation "Verfemt Vergessen Wiederentdeckt" abgebildet.
In Hamburg stellt Rainer Herold in seiner Galerie in der Poststraße 1987 „NORDDEUTSCHE KUNST ZWISCHEN IM-UND EXPRESSIONISMUS“ aus. Von Flege werden die ‚Häuser am Fluß‘ gezeigt. In seiner Eröffnungsansprache bezeichnet Prof. Dr. H. T. Flemming Flege neben Steinhagen einen zu „Unrecht Vergessenen“. In den Publikationen der Galerie sind immer wieder Gemälde von Flege zu finden. Im Herold-Katalog zur Ausstellung „Vom Impressionismus zur Abstraktion 1870-1970“, Hamburg 2000, ist Flege mit einem für ihn sehr typischen Gemälde einer ‚Dorfstraße‘ abgebildet und gehört heute in die Sammlung Hierling.

Marie und Ernst


In Wedel lernt Ernst Flege seine spätere Frau, Marie Röttger kennen., D. v. Hülsen schildert es folgendermassen „Marie, 1908 geboren, stammt aus einer alteingesessenen Wedeler Bauernfamilie, die den Auhof bewirtschaftet und seit 1600 in Urkunden erwähnt wird. Zwei Welten und zwei Familien prallen aufeinander, die sich an Unnachgiebigkeit dem anderen gegenüber in nichts nachstehen. Für Röttgers ist Flege ein Bohemien, nicht in der Lage, gebührend für die Tochter zu sorgen. Dennoch heiraten Ernst und Marie 1934, und es werden in den nächsten Jahren drei Kinder geboren: Volker, Tekla und Töns. Die junge Familie zieht 1936 in ein eigenes Haus nach Holm. Die Befürchtung der Familie Röttger sollte sich leider als begründet erweisen. Es war letztlich Marie, die in den folgenden dreißig Jahren durch ihre Arbeit unter großen persönlichen Opfern für die wirtschaftliche Grundlage der Familie sorgen mußte. ‚In diesen Jahren haben Familie und Freunde den stillen Heroismus seiner Frau miterleben dürfen, die die Familie erhielt und dem Mann treu zur Seite stand.‘ (Biermann-Ratjen).“
Im Frühjahr 1943 zeigt Peter Lüders in seinem Kunstraum in Hamburg, Admiralitätsstraße 12, Bilder von Ernst Flege.
Dazu zwei Rezensionen:
Das Bild ‚Haus hinter Bäumen‘ gibt Dr. Schneider als Leihgabe in das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg in Oldenburg für die Ausstellung „100 Jahre 100 Bilder Deutsche Malerei des 20. Jahrhunderts“ vom 15.7.-4.10.2009.Es steht für das Jahr 1934 und ist im Katalog abgebildet.
„Der Rissener“ ist ein Informationsblatt für Rissen, Blankenese, Sülldorf, Wedel. Der Kunsthistoriker Dr. Carsten Meyer-Tönnismann erinnert in der März-Ausgabe 2017 an Ernst Flege, bildet ‚Gewitter in Wittenbergen‘ und ‚Die alte Steinschule‘ in Rissen ab, sowie, Ernst Flege an der Staffelei‘, portraitiert von seinem Freund Claus Becker (1903-1983).
In Schweinfurt wird das ehemalige Ernst-Sachs-Bad zu einem Kunstmuseum umgebaut. Im Jahre 2009 erscheint eine umfangreiche Dokumentation „Die Sammlung Joseph Hierling Expressiver Realismus“ der Kunsthalle Schweinfurt von Ingrid von der Dollen, Rainer Zimmermann und Gerhard Finckh, in der auch Ernst Flege mit einer Abbildung des Gemäldes ‚Kutsche vor Gehöft‘ vertreten ist. Von der Dollen schreibt über ihn: „Ernst Flege hat eine ausgeprägt persönliche Handschrift und eine eigentümliche, nur ihm gehörige Farbpalette.… Buntheit läßt er nie aufkommen, stattdessen liegt ein Grauschleier über seinen Gemälden, der einzelne Farben umso bedeutender heraushebt, wie hier das weiche Grün von Bäumen und Rasenstück.“

60. Geburtstag


1958 wird Ernst Flege sechzig Jahre alt. Das Altonaer Museum eröffnet am 17. Februar 1959 eine Sonderausstellung seiner Malerei.
In der Eröffnung sagt Dr. Biermann- Ratjen unter anderem: „Es ist das Werk eines Malers aus der Tradition der großen Hamburger Schule nach der Jahrhundertwende. Von dem allgemeinen, durch die französischen Impressionisten heraufbeschworenem Umbruch in der Kunst ist es mannigfach berührt worden und bietet uns das erregende Schauspiel der Auseinandersetzung mit den Strömungen des Neuen. Solche Auseinandersetzung ist nun vielen zeitgenössischen Malern auferlegt worden, aber bei Flege ist es von besonderem Reiz zu verfolgen, wie er über das Erlebnis der norddeutschen Landschaft hinaus, das Anstoß und Ausgang für ihn war, immer leidenschaftlicher den rein malerischen Grundproblemen zustrebt. Dabei bleibt das Resultat immer höchst persönlich. Im Ergebnis kann man seine Malerei keinem wie immer gearteten „…ismus“ zurechnen. Unter den Charakteren, die es in der Malerei in Hamburg zu etwas gebracht haben, ist Ernst Flege ein Künstler, der in seiner jeden Effekt verachtenden, zugleich sensiblen und ehrlichen Art neidlos von allen anerkannt wird. Mit größtem Fleiß hat er Jahrzehnte um die Realisierung seiner Eindrücke im Werk gekämpft und in seinen Bildern diese eigenwüchsige Pinselschrift entwickelt, die zartesten Regungen gehorcht. Er beschenkt uns mit einem Reichtum an valeurs, einer Schönheit, die immer getragen ist von menschlichem Format und artistischer Noblesse. Die gegenständlich anspruchslosen Motive der hier aus allen Epochen versammelten Bilder dürfen uns nicht dazu verführen, den geheimen Glanz und die verborgene Dynamik, - überhaupt das ganz Unprovinzielle dieser nur scheinbar dem Alltag und der Nähe verhafteten Kunst zu übersehen. Das Bild „Die Stiefel“, das zu meiner Freude auch in der Ausstellung zu sehen ist, war für mich stets ein besonders aufschlußreiches und faszinierendes Beispiel dafür. … Nur im Vorübergehen will ich hinweisen auf frühe Landschaften Fleges mit dunklen grün-braunen Akkorden, die auch in der Komposition hervorragend sind – auf die Reihe der Arbeiten um 1922, die den Elan der Verjüngung und der Farbenreinheit zeigen und damit an die Werke der Fauves erinnern; oder an das schöne Bildnis von 1927, das souverän auf die braune Malpappe gesetzt ist, der Farbe dabei in einer kühnen Weise ihren Eigenwert belassend.“ Theodor Gerkens spricht „von einer Fülle herrlicher Arbeiten, gut gehängt, einen wirklich umfassenden und aufschlußreichen Einblick in das reiche Oeuvre eines großen Malers ganz persönlicher Prägung und Ausstrahlkraft".
Auszüge aus Rezensionen:

„…Es sind die einfachen Motive aus dem engeren Bezirk der norddeutschen Heimat, um die Ernst Flege kreist: Dorfstraßen, ein Ackerwagen, der vor einem Bauernhaus steht, ein paar Holzpantinen. Diese Sujets malt er ungewöhnlich kultiviert und stimmungsvoll, dabei kommt es ihm auf die Nuancen des Kolorits an, auf die Ausgewogenheit der grauen und braunen Tonskala, die er mit großer Sensibilität einzusetzen vermag.. Hier sieht man ein außerordentlich harmonisches Lebenswerk …“ Wenn ich den Pinsel in der Handhatte, war ich wer ….“schreibt Ernst Flege in seiner skurrilen Kurzbiographie. Das stimmt nicht: er ist wer“. (Dr.H.L.)

…“ Flege ist ein Impressionist eigener Prägung, der mit bewegten Pinselstrichen und flirrenden Farben vorwiegend norddeutsche Motive ins Bild bringt, Gassen der Hamburger Altstadt, die Gegend zwischen Rissen und Wedel, Moortümpel, Bäume am Strand, Kühe im Stall, ein herbstliches Gehöft oder ein Stilleben aus alten Stiefeln – solche und ähnliche Vorwürfe werden vom Künstler zunächst mit realistischem Blick erfaßt und dann in eine dunkeltonige Malerei verwandelt, in der graugrüne Farbtöne vorherrschen, die Farben der vielen nebligen und diesigen Tage unseres Nordens.“ (fl)
RA Volker Reimnitz, geb. 1931, schreibt mir im Frühjahr 2018:
Immer wieder in den nächsten Jahren sind Bilder von Flege auf Gruppen-Ausstellungen im Hamburger Raum zu sehen, doch es sind alles alte Arbeiten. – Hamburgische Künstlerschaft 1952, 1955, 1956, 1958, 1959, 1960, 1961, 1962, 1963 Halle der Nationen/Kunsthaus – Kunsthalle Hamburg; Künstlergilde Pinneberg im Kreishaus Pinneberg und der Wedeler Künstlerschaft in Wedel, 1963 Firma Beiersdorf, Hamburg; 1970 Brinke & Riemenschneider, Hamburg, „Sammlung Hermann Grassmann“; Ausstellung „Bildermorgen“, Förderungsankäufe der Kulturbehörde im Leo-Lippmann-Saal der Finanzbehörde Hamburg 1950-1975.
Es gibt viele Besprechungen in der lokalen Presse, in denen Flege erwähnt wird. Hier nur ein Beispiel von 1962 im Zusammenhang mit der 750 Jahrfeier von Wedel "750 Jahre Wedel - 1212-1962" von Günter Wilke: "Künstlerisch verwandt mit Rudolf Höckner ist der in Holm lebende Maler Ernst Flege, der ebenfalls zu den bedeutendsten Hamburger Impressionisten gehört hat. Leider hat ihm eine unheilbare Krankheit Pinsel und Palette aus der Hand genommen, doch vergeht heute keine große Hamburger Kunstausstellung, auf denen nicht doch Werke von Ernst Flege gezeigt werden. Die Stadt Wedel hat ebenfalls Arbeiten Fleges erworben. Auf den Ausstellungen der Wedelder Künstlerschaft , die noch vor Jahren ständig veranstaltet wurden, stellte Flege immer wieder aus und noch vor einiger Zeit auf einer Ausstellung der Künstlergilde Pinneberg in der Wedeler Mittelschule."
Das Kulturforum Wedel erarbeitet zum 80. Geburtstag von Ernst Flege eine Ausstellung, die der Hamburger Maler Albert Feser, Jahrgang 1901, eröffnet. Er erinnert an ihren gemeinsamen Lehrer Prof. Wohlers, „da konnte man ein recht solides handwerkliches Rüstzeug erwerben für die Malerei.“ Er zieht einen Vergleich zu Vuillard’s Mutter, die auch Modistin war „und dieser Beruf bringt es mit sich – feine Farbunterschiede, und daß man ein Gefühl hat – wenn ich so viel Farbe habe von einem Raum, wieviel kann dieser Farbton von der Gegenfarbe tragen – und das geht so in Fleisch und Blut über – und Ernst Flege wurde dann Maler“. Von dem Schneidermeister Alex Hentschel, der auch begeistert Bilder sammelte, erzählt er: „und der hatte eine so fantastische Wohnung auf der Veddel – das konnte schon einen Maler, der Hafenmotive liebte, anziehen – bei dem stand ich dann manchesmal oben auf dem Dach und schaute in den Freihafen hinein, wenn man dann gemalt hatte, vielleicht – na – sehr selbstbewußt war, und ging dann herunter und sah die Bilder – auch die Bilder von Ernst Flege – dann hatte man so den Eindruck, als sagten diese Bilder ‚alter Freund, tritt langsam auf, wir sind auch da, nicht, so daß eigentlich Ernst Flege auch bei mir und in meinem Leben so etwas wie ein geheimer Miterzieher war. Es gibt ja so etwas. Die Leute brauchen direkt gar nicht einmal in Erscheinung zu treten, aber ihre Kräfte machen sich bemerkbar“. Und über die Bilder bei Hermann Grassmann: „Und von diesen Bildern, da ging irgendetwas aus, eine geheime Kraft. Ich merkte nach einigen Malen, die Bilder sind eigentlich viel besser, als sie aussehen. Zuerst, da sah man so etwas Düsteres, das Motiv vielleicht, aber sehr bald spielte das Motiv überhaupt keine Rolle mehr – es konnte ein Stück Alltäglichkeit sein, trivialste Alltäglichkeit. Aber diese Sache war allemal groß gesehen, so kultiviert in den Farben – und da war fast etwas Befremdendes – auf der einen Seite die wuchtigen Pinselhiebe, kreuz, quer, die eine unheimliche Aktivität ausstrahlten, und andererseits die Wahl der Farben so zurückhaltend, so vornehm – und da merkte man, daß das große Erbe in ihm der Hamburger Malerei, was bei Thomas Herbst dann war, daß er davon unendlich viel in sich aufgenommen hatte und das dann eigen verarbeitete.“ Er spricht von seiner Krankheit: „und wenn ein Maler ein richtiger Maler ist und alles auf diese eine Karte gesetzt hat im Leben, und er kann nicht mehr malen, dann ist das eine Tragik, schwer, schwer zu ertragen. Ernst Flege sagte so manchesmal, ich bin ein lebender Leichnam... für ihn war Malerei ja ein Stück innere Selbstbehauptung. Und dann diese innere Unruhe, aber ich bin doch Maler, und dann habe ich es erlebt, wie ich bei Graßmann saß – ganz abgehetzt, Ernst Flege unten – Graßmann wohnten im dritten Stock – hat er angeklingelt- sind sie da – ja, ich komm rauf – und dann mühsam die Treppen nach oben, ja Ernst, nun setzt dich mal hin – ja, gleich, sagte er, ich muß erst einmal meine Bilder sehen – ja, sagte er, die Bilder, die hängen ja noch alle, und dann kam ein zufriedener Ausdruck in sein Gesicht hinein“ Der Hamburger Klempnermeister Hermann Graßmann erklärt jedem Besucher gern seine große Sammlung. Hier weist er auf einige seiner schönen Bilder von Flege hin.
Feser zitiert Goethe: „…weil es für Ernst Flege so außerordentlich zutrifft, denken wir an die frühe Zeit und an die späte Zeit: ...Alles geben die Götter, die Unendlichen ihren Lieblingen ganz, alle Freuden, die Unendlichen, alle Schmerzen, die Unendlichen, ganz. Ja – und nun gucken Sie sich diese Ausstellung an, von den Schmerzen sehen Sie hier nichts. Hier sehen Sie nur den großen Maler. Und ich bin der Meinung, die Zeit für diese Malerei, die wird noch kommen, denn die Bilder sind so stark, sie stellen Anforderungen an den Betrachter ... (Sie) wissen dann ja Bescheid, daß jedes Bild Aufgaben stellt, jedes gute Bild, und wenn man die gelöst hat, ist man reicher geworden.“
Rainer Zimmermann wird von Willem Grimm auf Flege hingewiesen. Er kommt aus Marburg, schaut sich die Wedeler Ausstellung an und nimmt Flege in seine Publikation „Die Kunst der verschollenen Generation – Deutsche Malerei des Expressiven Realismus von 1925 bis 1975“ auf .
Zimmermann’s Ziel, ein eigenes Museum für ‘seine Maler‘ zu schaffen, ist 1993 erreicht. Im Neuen Schloß Kißlegg an der Oberschwäbischen Barockstraße wird 1993 das Museum Expressiver Realismus – Malerei im 20. Jahrhundert eröffnet. Zwei Leihgaben meiner Kinder, ‚Pferdefuhrwerk‘ und ‚Dahlien‘ hängen dort von Flege bis zur Schliessung 2005, da die Gemeinde Kißlegg leider eine andere Nutzung vorsah.
Dies Blumenstillleben gehört heute in die umfangreiche Privatsammlung von Dr. Gerhard Schneider, in der sich mehrere Gemälde und Zeichnungen von Ernst Flege befinden und ist u. a. in seiner Publikation „Entdeckte Moderne“ abgebildet. Ab 1995 stellt Schneider immer wieder Teilaspekte seiner Sammlung in/und außerhalb Deutschlands aus, zb. im Kunstverein Südsauerland in Olpe, im Museum Baden in Solingen, zur Festspielzeit in Salzburg und Bayreuth, in der Moritzburg in Halle, im Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück, in Quedlinburg, im St. Annen-Museum in Lübeck, im Museum Moderne Kunst in Passau, im Lindenau Museum in Altenburg, in der Kunsthalle Jesuitenkirche in Aschaffenburg, im Ephraim-Palais in Berlin usw. Sehr oft sind Fleges dabei.
Zum 40jährigen Bestehen des Kunstkreises Hameln findet vom 23.9.-5.11.1989 eine überregional viel beachtete Ausstellung statt. Die Weltkunst, München, schreibt am 1. Oktober 1989: „Der Kunstkreis Hameln stellt im erweiterten Rolf-Flemes-Haus rund 100 Gemälde von zwölf Malern aus, die – sämtlich um die Jahrhundertwende geboren – der sogenannten „verschollenen Generation“ angehören …beschränkt sich auf zwölf wichtige Exponenten jenes von Zimmermann definierten „expressiven Realismus“. Von Flege werden acht Bilder gezeigt.
Frau Dr. Maike Bruhns stellt am 20. September 2001 in der Krypta St. Nicolai in Hamburg ihr umfassendes Werk „Kunst in der Krise“, Band 1 – Hamburger Kunst im „Dritten Reich“ und Band 2 „Künstlerlexikon Hamburg 1933-1945“ vor, in das sie Flege aufgenommen hat, und zeigt in ihrer Ausstellung bis zum 24. Januar 2002 sein Gemälde ‚Katharinenkirche‘. In Bd.1: „Die klassischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen…, boten sich für eine Selbstdarstellung des Regimes an. … Kultur sollte auf diese Weise propagandistisch in den Dienst der Politik genommen,… 1933 schrieb Hermann Maetzig als kommissarischer Direktor der Kunsthalle auf Krogmanns Anregung ein Preisausschreiben für Hamburger Künstler aus. ...Aufgabe 1: …, Aufgabe 2: …, Aufgabe 3: „Graue Gängeviertel“. Auch diese Ausstellung, in der von 600 eingereichten Arbeiten 350 in der Hamburger Kunsthalle gezeigt wurden, wirkte im Ergebnis enttäuschend. … Allein Ernst Fleges Untergangsvisionen grau bröckelnder Straßenzeilen kamen den Vorstellungen der Funktionäre entgegen, …“. 35 Bilder wurden angekauft, von Ernst Flege keins.

Gängeviertel


„Charakteristisch für das Gängeviertel sind die wohl ständig geöffneten Fenster, um Luft und Licht in die Behausungen herein zu lassen. Fleges Bilder sind ebenfalls gekennzeichnet durch die starken kompositorischen Akzente der Senkrechten und Waagerechten der geöffneten Fenster. Eine der Gängeviertel-Darstellungen läßt die verheerenden Wohnumstände besonders deutlich werden: An der linken Wand ist eine geknickte Stellage zu erkennen, die nicht für die Wäsche vorgesehen war, sondern als Vorrichtung diente, um Spiegel anzubringen, die ein wenig mehr Tageslicht in die Räume lenken sollte. Aus der zeitlichen Entfernung mutet manche Postkarte (in einer Vitrine waren alte Postkarten ausgestellt) als Altstadtidylle an, die bei genauerer Betrachtung den schlimmen Wohnverhältnissen aber nicht standhält. Ernst Fleges Gängeviertel-Bilder haben nicht nur dokumentarischen Charakter, sondern sie vermitteln auch eine Vorstellung von einer untergegangenen Welt, die Elend und Armut, viel Lokalkolorit und eine eigene Kultur hatte.“ (DvH)
Diese zwei Bilder dokumentieren den Abriss einer Brücke. Während auf der ersten Abbildung noch sichtbar, wird der Abrissschutt auf der zweiten abtransportiert.
Das linke Ölgemälde‚ ,Rademacher Gang 1933‘ hat die Kulturbehörde angekauft und es auf der Ausstellung im Kunsthaus Hamburg - Bilder und Plastiken aus fünf Jahrzehnten – vom 15. August – 13 September 1970 mit anderen Fleges im Erdgeschoss in einer eigenen Abteilung gezeigt. In der eigentlichen Ausstellung oben hingen drei Bilder als Leihgaben von Marie Flege: Rissen‘, ‚Waldlandschaft‘ und ‚Portrait‘ (sein Selbstbildnis von 1927). Heute gehört der ‚Rademacher Gang‘ der Kunsthalle und war in der Ausstellung „Ausgegrenzt – Kunst in Hamburg 1933-1945“ vom 21.8.-13.11. 2005 zu sehen.
Außerdem hing dort sein Bild‚ eine Plastik Haizmanns‘, zu dem M. Bruhns im Katalog schreibt: „1928 hatte Richard Haizmann eine Plastik modelliert und in Messing gießen lassen, die er ‚Auffliegender Vogel’ nannte: glatt wie die Gestalt eines Vogels, erfüllt von aufstrebender Bewegung. Bald wurde sie von Max Bruhn für seine Sammlung erworben. Dieser gab etwa 1935 Ernst Flege den Auftrag, die Plastik in einem Gemälde wiederzugeben… .Mit bewegter, unruhiger Pinselschrift gibt Flege ein Kunstwerk wieder, dessen Bewegtheit in der geschlossenen Form Gestalt findet. Vorbild und Bild sind in ein spannungsvolles Verhältnis gesetzt.“ In der Ausstellung „Nachtmahre und Ruinenengel“ im Kunsthaus Hamburg wurde 2013 auch dieses Gemälde gezeigt.
Dies Gemälde „die Kühe“ hat Wilhelm Werner, der mit vielen Hamburger Künstlern befreundet war und auch Rahmen für Flege gemacht hat, 1953 der Hamburger Kunsthalle geschenkt. Es hing neben einem weiteren Flege in der Ausstellung „Die Sammlung des Hausmeisters Wilhelm Werner“ vom 18.09.2011 – 15.01.2012 und ist im Katalog abgebildet.
Fleges bisher umfangreichste Retrospektive findet in der Hamburgischen Landesbank anlässlich seines 100. Geburtstages in Zusammenarbeit mit dem Altonaer Museum, Prof. Dr. Gerhard Kaufmann, vom 4. Februar 1999 – 31. Juli 1999 statt. Es werden über 100 Gemälde und Zeichnungen von 1916-1943 ausgestellt. Dorothy von Hülsen erarbeitet einen Katalog, aus dem ich mehrfach zitiert habe. Weit über 300 Gäste waren der Einladung gefolgt und werden von dem Vorstands-Vorsitzenden der Landesbank, Herrn Alexander Stuhlmann, in den Räumen am Gerhart-Hauptmann-Platz begrüßt. Prof. Kaufmann, Direktor des Altonaer Museums – Norddeutsches Landesmuseum, eröffnet die Ausstellung und würdigt Fleges Werk. (seine Rede habe ich leider nicht).
Hanns Theodor Flemming schreibt eine Rezension, die u.a. in der „Welt“ vom 9. Februar 1999 zu lesen ist:
Auch der Kulturverein Holm lädt im September 1999 zu einer Sonderausstellung ins Dörpshus Holm ein. Der Vorsitzende Helmut Werner erarbeitet einen sehr persönlich gestalteten Katalog. Über 50 Gemälde und Zeichnungen werden gehängt. Der Maler Peter Nitsche öffnet den Besuchern die Augen, geht auf viele Bilder ein - eine Vorlesung des Sehens
– hier sein Text:

„Ich möchte Ihnen nur einige Eindrücke schildern, die ich vor den Bildern Ernst Flege hatte. Das erste von ihm sah ich bei meinem Schwiegervater, dem Maler Albert Feser. Als Bildträger ein einfaches, ungrundiertes Stück Sperrholz. Auf der Rückseite Fragmente eines anderen Bildes, der eine Rand sogar abgesplittert, als ob er es nicht erwarten konnte, bis das Format zugeschnitten war. Das Motiv war ein Stillleben. Nicht spektakulär inszeniert, sondern offensichtlich eine zufällige Anordnung. Drei Gläser und ein zusammengekneultes Tuch. Auf der Ecke einer Anrichte kräftige Hell-Dunkel/Akzente von Licht und Schatten. Es wirkte im ersten Moment fast abstrakt. Die Gegenstände traten nur langsam in Erscheinung und offensichtlich war es in einem Rutsch runtergemalt. Ein tolles Stück Malerei …Ich hatte noch keinen Maler gesehen, der so unspektakuläre Motive gemalt hatte. So als ob man zufällig eine Ecke auf dem Hof sieht und sich sagt, ach, das müsste ich malen. Oder einen Traktor, ein Auto, Leiterwagen, Holzschuhe oder den Hof im Winter usw. usw. Und dazwischen ein Kuhstall von innen. So etwas Phantastisches. Die Kühe im Halbdunkel und dann eigentlich mit Nichtfarben gemalt… z. B. den Holzstapel im Winter. Ein damals schier alltägliches Motiv. Aber was für ein spannendes Bild. Wie der Gegenstand analysiert, ja seziert, und dann auf dem Bild wieder zusammengesetzt wird. Der Schnee pappt wirklich. Gehen Sie näher ran, löst sich alles in eine tänzerische, farbige Choreographie der Pinselschrift auf. Oder der Hof im Schnee. Man hat das Gefühl eines zufälligen Ausschnitts. Als ob man selbst gerade vorbeigeht und mal hierhin und mal dorthin guckt. Aber das Ganze ist hervorragend komponiert. Die Gewichte der Massen zueinander stimmen einfach. Und dann dieser Obstbaum hinten rechts auf dem Bild. Das ist wirklich ein im Winter ruhender Baum…. z. B. der wundervolle Bauch der vorderen Sau bei den ‚schlafenden Schweinen‘ …Für mich ist Ernst Flege ein sehr präziser Maler und Zeichner, der vor dem Motiv nichts auslässt oder beschönigt. Nehmen Sie nur mal die Architektur im Gängeviertel. Was da ist, muß gemalt werden, und wenn es eine Plakatwand ist. Es wird analysiert und auf dem Bild neu geschaffen. Und dadurch erlebt. Nichts wird einfach abgebildet oder abgemalt. Und alles in einer einmaligen, zupackenden Handschrift.“
Töns Flege (✝ 2008) vor einer Zeichnung seines Großvaters auf der Holmer Ausstellung
Am 27. August 1939, zwei Tage vor der Geburt meines jüngsten Bruders Töns,wird mein Vater eingezogen und kommt in ein Wachbataillon nach Polen. Unter General v. Flotow malt er auf Schloß Niborow bei Lodz seine letzten Bilder, kleinformatige Interieurs.

Die letzten Jahre


„Die ersten Vorzeichen der multiple sklerose Erkrankung werden erkennbar, er kommt im November 1941 in das Altonaer Krankenhaus, dessen Ärzte ihn schon aufgeben. Er liegt einige Wochen im sogenannten Sterbezimmer, doch auch dort zeichnet er, so seinen sterbenden Bettnachbarn, den er mit dem Bleistift auf kariertem Papier festhält. Entgegen allen Prognosen erholt sich Ernst Flege partiell, so weit, daß er 1942 noch einige Porträts zeichnen kann. Es entsteht ein Selbstporträt 1943 datiert und somit sein letztes Werk, mit dem Hinweis auf sein im Krieg deformiertes Ohr. In Brunsbüttel soll er Schützengräben ausheben, wird jedoch schnell weitergeschickt, als er beginnt, sämtliche Bettlaken zu bemalen. Er zeichnet seinen Freund Karl Sölter und den Architekten A. Gattmann. Damit ist ein Maleroeuvre unfreiwillig im Alter von nur 44 Jahren abgeschlossen, zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Maler üblicherweise noch aus dem Vollen schöpft.“ (DvH)
Sein jüngerer Malerfreund Theodor Gerkens schreibt 1978 an Rainer Zimmermann: “Bilder waren und blieben bis zuletzt Bestandteil seines Lebens. Noch im Zustand größter körperlicher Behinderung verstand er es, jede ihn interessierende Ausstellung zu erreichen. Nie wieder habe ich eine so große Intensität und Ausdauer des Betrachtens, eine so souveräne Urteilskraft und einen ähnlichen Enthusiasmus vor bewunderten Bildern erlebt.“

Am 25. Mai 1965 stirbt mein Vater. Ich empfand es als große Ehre und Wertschätzung seiner Malerei, daß Prof. Dr. Alfred Hentzen, damaliger Direktor der Hamburger Kunsthalle, neben anderen Persönlichkeiten an der Trauerfeier und Beisetzung auf dem Sülldorfer Friedhof teilnahm.

Die Worte von Dr. Biermann-Ratjen haben bis heute Gültigkeit. Er schreibt in seinem Glückwunschtelegramm zum 65. Geburtstag an Ernst Flege: „Es ist mir jedesmal eine Freude, auf Bilder von Ihnen zu treffen, diese Zeugnisse eines aufrichtigen, leidenschaftlichen Künstlers. Wenn in Hamburg von guter Malerei die Rede ist, gehören Sie dazu. Daran wird sich nichts ändern.“
Vor mir liegt ein abgegriffenes, zerfleddertes, vergilbtes kleines Buch – Künstlerworte – eine wunderschöne Jugendstilausgabe von 1906 aus dem Verlag EA Seemann, Leipzig, das meinen Vater sein ganzes Malerleben begleitet hat – ein Kleinod. Er markiert darin mit Rotstift für ihn gültige Aussagen, unter anderem:

Das Schöne liegt in der Vorstellung und wird lediglich in derselben erst zum Schönen …
— F. Schinkel
Das Häßlichste, was es gibt, das sind unsere armseligen Konventionen und Arrangements gegenüber der erhabenen und großen Natur. Das Häßlichste, das sind unsere verschönerten Köpfe, unsere idealisierten Falten, das ist die Kunst, die Natur, korrigiert durch den vorübergehenden Geschmack einiger Zwerge, die mit ihrem Schulmeisterstöckchen der Antike, der Renaissance und schließlich der Natur selbst auf die Finger klopfen.
— Delacroix
Das Kunstwerk ist die kristallisierte individuelle Erkenntnis der sichtbaren Natur.
– Stauffer-Bern
Die Kunst ist nur der beseelte Wiederschein der Natur aus dem Spiegel der Seele, und deshalb ist eine gesunde und reine Entwicklung der Sinnes- und Denkweise, die Ausgestaltung des inneren Menschen, auch in Beziehung auf die Kunst von größter Bedeutung.
– Ludwig Richter
Zu empfinden, was er sieht, zu geben, was er empfindet, macht das Leben des Künstlers aus.
– Max Klinger
Ich habe nie einen anderen Lehrmeister als die Natur gehabt.
– Courbet
Die Kunst ist weiter nichts als das Studium der Natur. Dieses Studium hat die Antike und die Gotik so großgemacht. Die Natur ist alles. Wir erfinden, wir schaffen gar nichts.
– Roudin
Wann ist ein Bild vollendet? Nie, glaube ich, und auf diese Art ist ein Gemälde ein Symbol des Lebens; wenn ich sage, es ist fertig, so meine ich damit, es ist aus damit, und es muß weg.
– Burne-Jones
Seine letzten Eintragungen aus dem Frühjahr 1944 geben Zeugnis von seiner Kraft und seinem Willen, seine Krankheit zu besiegen. Es ist nicht alles genau lesbar, da er seine ursprünglichen Notizen mit anderen Farbstiften überschrieben hat, daher teilweise nur Fragmente:
Das Festhalten,… Einen dauernden Kampf… um das Begreifen oder Erfassen… macht das Leben zu dem eines Malers – Krieg ist der Vater aller Dinge, der Bilder bestimmt. Herrlich, seinen Beruf zu haben! Und einen Gesunden dazu mit Ruhe und Einsamkeit und dabei zu sich selbst zu finden... natürliche egoistische Funktion.
Um den Sieg geht es!

– 20.III.44
I Tau empfindlich um die Knie
II Kein voller Bauch
III Tag vor mir – stehend: 365 Tage … meine Liebe zur großen Palette wieder und Federzchn. Das Malen über alles lieben. Alles restlos beweisen. Jeder Tag Kampf und Sieg Herrlich

– 5/4/44
… Schaffensrausch + potenz …

sein Handwerkszeug immer wieder zum Klingen bringen, heisst arbeiten an seiner Technik also Fleiss alles bloss Handwerk! TAKTFEST PERFEKT durch das Tagtägliche

Schlusswort
– Birgit Flege –


Eigenwillig, exzentrisch, der Natur verbunden: Ernst Flege (Hamburg 1898 - Holm 1965) war ein außergewöhnlicher Mensch. Seine Bilder sind schwer in gängigen Kategorien zu fassen. Sie sind weder expressionistisch noch impressionistisch. Kunstgeschichtlich passen sie am ehesten zum „expressiven Realismus“. Ernst Flege hatte nie ein Atelier und malte ausschließlich in freier Natur. Die Jahre von 1928 bis 1939 sind seine produktivsten Jahre. Seine Vorliebe für Grün und die Natur prägen seine Werke. Die anfangs vorherrschenden Grüntöne und ein helles Kolorit gehen im Lauf der Jahre in ein toniges Braun-Grau über. Auf Pappe, Sperrholz und manchmal auch Leinwand verewigt Flege den eigentümlichen Reiz des unscheinbaren Sujets, ein erdiges Kolorit und ähnliche Motive in und um Wedel. Seine Pinselführung ist heftig, unruhig und ausdrucksstark. Sind Personen zu sehen, sind sie zumeist nur als Staffage, als kompositorische Akzente dargestellt. Insgesamt charakterisieren fünf thematische Schwerpunkte das Werk Ernst Fleges:

- Ansichten aus Wedel,
- ländliche Motive aus der Marsch um Wedel und Holm herum,
- Stillleben (Pferdekarren, Ackerwagen, Schuhe, ein Holzstoß o.ä., Interieurs),
- eine umfangreiche Serie mit Darstellungen aus dem Hamburger Gängeviertel sowie
- einige Portraits bzw. Selbstportraits.

Seiner Tochter Tekla Kühn von Burgsdorff ist es zu verdanken, dass die Werke seiner imposanten Schaffenskraft aus allen Himmelsrichtungen Deutschlands über ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod erstmals in einer Gesamtschau zusammengeführt werden. Auch aus heutiger Perspektive bleibt richtig, was schon zu Lebzeiten über diesen bedeutenden norddeutschen Künstler gesagt wurde. Der damalige Hamburger Kultursenator Dr. Biermann-Ratjen urteilte am 17.2.59 in einer Eröffnungsrede einer Ausstellung im Altonaer Museum: „Im Ergebnis kann man seine Malerei keinem wie immer gearteten „…ismus“ zurechnen. … Ernst Flege (ist) ein Künstler, der in seiner jeden Effekt verachtenden, zugleich sensiblen und ehrlichen Art neidlos von allen anerkannt wird. … Mit größtem Fleiß hat er Jahrzehnte um die Realisierung seiner Eindrücke im Werk gekämpft und in seinen Bildern diese eigenwüchsige Pinselschrift entwickelt, die zartesten Regungen gehorcht“.

Birgit Flege, M.A., Berlin im Februar 2019

Kultur-und Bildungsmanagerin
zertifizierte Kuratorin

Birgit Flege

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